Wenn Evolution zur Eskalation wird
Kurzinhalt:
Fast drei Jahrzehnte nach dem Ausbruch des Wutvirus hat sich die Welt tiefgreifend verändert. Großbritannien ist nach wie vor abgeschottet und gilt als unbewohnbar – bis plötzlich neue Lebenszeichen auftauchen. Eine junge Frau wagt sich mit einer kleinen Gruppe in die Quarantänezone, um mehr über ihre Herkunft zu erfahren. Dabei stoßen sie auf eine Gesellschaft von Überlebenden, die sich in einer fast schon kultartigen Struktur neu organisiert haben. Doch mit ihnen kommt eine neue Bedrohung: die sogenannten Alphas. Diese Infizierten sind schneller, intelligenter und noch tödlicher als alles, was man bislang kannte. Die Expedition gerät schnell außer Kontrolle, als die Gruppe zwischen verschiedenen Fraktionen zerrieben wird. Währenddessen kämpft ein alter Bekannter aus früheren Teilen mit seinen eigenen Dämonen und Erinnerungen. Der Film nutzt Found-Footage-Elemente und dokumentarische Stilmittel, um das Grauen noch greifbarer zu machen. Am Ende steht die Erkenntnis, dass der wahre Feind vielleicht gar nicht mehr das Virus selbst ist.
Review:
Danny Boyle kehrt eindrucksvoll zu seinen Wurzeln zurück – und mit ihm eine filmische Handschrift, die man in dieser Intensität selten erlebt. Die Entscheidung, den gesamten Film mit iPhones zu drehen, zahlt sich aus: Der Look ist roh, ungeschönt und verstörend realistisch. Visuell fühlt sich „28 Years Later“ wie ein fiebriger Albtraum an, der seine Zuschauer förmlich in die Bilder hineinzieht. Der neue Alpha-Infizierten-Typ ist ein cleverer erzählerischer Schachzug – er verleiht der Reihe eine neue Dynamik. Dabei gelingt dem Film der Spagat zwischen Nostalgie und Neuanfang. Alte Fans werden durch atmosphärische Parallelen zu den Vorgängern abgeholt, während neue Zuschauer ohne Vorwissen in die Welt eintauchen können. Die Schauspieler – insbesondere die Hauptdarstellerin – liefern starke, glaubwürdige Leistungen ab. Besonders hervorzuheben ist auch der Soundtrack, der mal subtil unter die Haut geht, mal mit voller Wucht zuschlägt. Die Welt wirkt greifbar heruntergekommen und gleichzeitig seltsam vertraut. Thematisch bewegt sich der Film erneut zwischen Hoffnung, Überlebenswillen und menschlicher Abgrenzung. Der politische Subtext – Isolationismus, Fanatismus, Machterhalt – ist deutlich, aber nie plump. Auch die Spannungskurve ist gut gesetzt: Ruhige, beinahe meditative Momente wechseln sich mit brutalen, schockierenden Ausbrüchen ab. Das Pacing bleibt dabei konstant hoch, ohne hektisch zu wirken. Die Inszenierung wirkt durchdacht, bis in die kleinsten Details. Das verstörende Finale ist ein echter Schlag in die Magengrube – und lässt viele Fragen offen. Boyle traut sich, unangenehm und unbequem zu sein. Es gibt keine einfachen Antworten, keine Heldenreise mit Happy End. Dafür bleibt ein bleibender Eindruck – eine klaustrophobische Vision der Zukunft. Ein starker dritter Teil, der sich nicht auf früheren Erfolgen ausruht. Und einer, der Lust auf einen vierten macht – wenn wir denn dafür bereit sind.

„28 Years Later“ ist ein würdiger Abschluss – oder vielleicht ein Neubeginn – für eine der stärksten Zombie-Reihen der Neuzeit. Boyle beweist erneut sein Gespür für düstere Dystopien und schafft es, altbekannte Motive neu und intensiv zu erzählen. Intensiv, roh und erschreckend aktuell – ein Film, der im Kopf bleibt.