Miss Marple ist eine der bekanntesten Figuren der Kriminalliteratur und wurde von der britischen Schriftstellerin Agatha Christie geschaffen. Sie tritt erstmals in der Kurzgeschichte The Tuesday Night Club (1927) und später im Roman Mord im Pfarrhaus (1930) auf. Jane Marple, so ihr voller Name, ist eine ältere, unverheiratete Dame, die im fiktiven englischen Dorf St. Mary Mead lebt. Sie ist für ihre sanfte, höfliche Art bekannt, doch hinter ihrer unschuldigen Fassade verbirgt sich ein messerscharfer Verstand und ein ausgeprägtes Gespür für das menschliche Verhalten und die dunklen Geheimnisse, die Menschen verbergen.
Miss Marple ist keine typische Detektivin: Sie arbeitet weder für die Polizei noch betreibt sie eine Detektei, sondern wird meist zufällig in Kriminalfälle verwickelt. Aufgrund ihrer umfassenden Kenntnis über menschliche Schwächen und ihr scharfes Beobachtungsvermögen ist sie jedoch oft in der Lage, selbst schwierigste Fälle zu lösen. Christie beschreibt sie als eine Mischung aus neugieriger Beobachterin und moralischer Instanz, die ein tiefes Verständnis für das Gute und Böse in Menschen hat. Miss Marple steht dabei im Kontrast zu Christies anderer berühmter Figur, dem belgischen Detektiv Hercule Poirot, der mehr auf Logik und Analyse setzt, während sie die menschliche Natur intuitiv versteht.
Agatha Christies Miss-Marple-Romane und -Kurzgeschichten
Miss Marple tritt in insgesamt zwölf Romanen und über zwanzig Kurzgeschichten auf. Hier sind die Romane in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung:
- Mord im Pfarrhaus (1930)
- Die Tote in der Bibliothek (1942)
- Die Schattenhand (1942)
- Ein Mord wird angekündigt (1950)
- Fata Morgana (1952)
- 16 Uhr 50 ab Paddington (1957)
- Karibische Affäre (1964)
- Bertrams Hotel (1965)
- Das Schicksal in Person (1971)
- Ruhe unsanft (1976, posthum veröffentlicht)
Diese Romane begründen Miss Marples Ruf als eine außergewöhnliche Detektivin und sind Klassiker der Kriminalliteratur.
Miss Marple im Film: Die Filme mit Margaret Rutherford
Die bekannteste Film-Interpretation von Miss Marple stammt von der britischen Schauspielerin Margaret Rutherford, die die Rolle in den frühen 1960er Jahren spielte. MGM produzierte vier Filme mit Rutherford als Miss Marple, die sich in Ton und Charakter jedoch von der literarischen Figur stark unterscheiden. Während Christie’s Miss Marple eine eher sanfte, bedachte Frau ist, spielt Rutherford die Rolle auf humorvolle, energische und fast exzentrische Weise. Rutherfords Darstellung wurde dennoch immens beliebt und prägte die Figur nachhaltig.
Die vier Filme mit Margaret Rutherford als Miss Marple sind:
- 16 Uhr 50 ab Paddington (Murder She Said, 1961) – Basierend auf dem gleichnamigen Roman.
- Der Wachsblumenstrauß (Murder at the Gallop, 1963) – Basiert auf dem Roman Die Schattenhand (After the Funeral), in dem Miss Marple ursprünglich gar nicht vorkommt.
- Vier Frauen und ein Mord (Murder Most Foul, 1964) – Basiert auf dem Roman Der Wachsblumenstrauß (Mrs. McGinty’s Dead), auch hier ist Miss Marple im Buch nicht Teil der Handlung.
- Mörder Ahoi! (Murder Ahoy!, 1964) – Dieser Film basiert nicht auf einem Roman, sondern auf einer originellen Geschichte, die speziell für Margaret Rutherford und ihre Interpretation von Miss Marple entwickelt wurde.
Diese Filme mischen klassische Krimi-Elemente mit britischem Humor und exzentrischem Charme und gelten bis heute als Klassiker. Rutherfords Miss Marple ist energisch, mutig und immer bereit, sich in Gefahr zu begeben, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Andere Film- und Fernsehinterpretationen
Neben Margaret Rutherford haben viele Schauspielerinnen Miss Marple in Film und Fernsehen verkörpert. Einige der bekanntesten sind:
- Angela Lansbury spielte Miss Marple in Das Mörderfoto (The Mirror Crack’d, 1980), einer Verfilmung des gleichnamigen Romans.
- Joan Hickson spielte Miss Marple in einer sehr populären BBC-Serie (1984–1992), die sich eng an die Bücher hielt und allgemein als die treueste Adaption gilt. Agatha Christie selbst soll einmal gesagt haben, sie wünsche sich Hickson als ihre perfekte Miss Marple.
- Geraldine McEwan und später Julia McKenzie übernahmen die Rolle in der ITV-Serie Agatha Christie’s Marple (2004–2013). Diese Serie nahm sich größere Freiheiten mit den Geschichten und zeigte Miss Marple oft in einem modernen, teils feministischeren Licht.
Hintergründe zur Figur: Wer steckt hinter Miss Marple?
Agatha Christie schuf Miss Marple als eine Figur, die auf Beobachtung und Menschenkenntnis setzt. Inspiration für die Figur holte sich Christie aus ihrem eigenen Umfeld; sie soll gesagt haben, dass Miss Marple auf dem Charakter älterer Damen aus ihrer Jugend basiere, die stets aufmerksam und oft kritischer waren, als man auf den ersten Blick vermutete. Im Gegensatz zu Hercule Poirot, der oft aktiv in die Fälle hineingezogen wird, ist Miss Marple eher eine zufällige Ermittlerin, die über Gespräche, Klatsch und ihre eigene Lebenserfahrung Einsichten in die Fälle gewinnt.
Christie selbst schätzte Miss Marple sehr und erkannte, dass die Figur ein großes Publikum fand, das in ihr eine Art moralischen Kompass und gleichzeitig eine Vertraute in menschlichen Angelegenheiten sah. Im Laufe der Jahre wurde Miss Marple zu einer Symbolfigur für die Kraft von Intuition und Empathie, selbst wenn sie als „harmlose“ alte Dame auftritt.
Fazit
Miss Marple ist heute eine ikonische Figur der Kriminalliteratur, die Generationen von Leserinnen und Lesern begeistert hat. Margaret Rutherfords Interpretation gab der Figur eine unvergessliche humorvolle Note und trug erheblich zur Popularität von Miss Marple bei, auch wenn sie von Christies ursprünglichem Bild abwich. Die literarische Miss Marple ist ein komplexer Charakter, der mit sanfter Beobachtungsgabe und menschlichem Einfühlungsvermögen Fälle löst, während die filmische Interpretation – besonders die von Rutherford – die Figur humorvoll und unerschrocken neu interpretierte. Beide Versionen haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen und dazu beigetragen, dass Miss Marple heute noch als eine der bekanntesten Detektivinnen weltweit gilt.