Der Schwarzweiß-Krimi „Das Spinnennest“ aus dem Jahr 1943 (Originaltitel: The Spider Woman) ist der siebte Film der klassischen Sherlock-Holmes-Reihe mit dem brillanten Basil Rathbone als Meisterdetektiv und Nigel Bruce als treuen Dr. Watson. Unter der Regie von Roy William Neill entstand ein fesselnder Thriller, der von der New York Times als einer der besten Filme der Serie gelobt wurde.
📽️ Film-Fakten auf einen Blick:
- 🎬 Originaltitel: The Spider Woman
- 📆 Erscheinungsjahr: 1943
- 🎭 Genre: Krimi, Mystery, Thriller
- ⏱️ Laufzeit: 63 Minuten
- 🔞 FSK: ab 12 Jahren
- 🎞️ Produktion: Universal Pictures
Handlung:
Eine mysteriöse Serie von vermeintlichen Selbstmorden versetzt London in Aufruhr. Die Zeitungen berichten von „Pyjama-Selbstmorden“, bei denen wohlhabende Männer sich nachts aus dem Fenster stürzen. Sherlock Holmes vermutet sofort, dass hinter dieser Mordserie eine skrupellose Täterin steckt – „eine weibliche Moriarty“, wie er sie nennt.
Um unentdeckt ermitteln zu können, täuscht Holmes seinen eigenen Tod bei einem Angelausflug in Schottland vor. Dr. Watson ist untröstlich und ahnt nicht, dass sein Freund längst undercover ermittelt. Als indischer Offizier Rajni Singh getarnt, besucht Holmes verschiedene Spielcasinos Londons und entdeckt bald ein Muster: Alle Opfer waren leidenschaftliche Spieler mit hohen Verlusten.
Im Casino trifft er auf die geheimnisvolle Adrea Spedding, eine attraktive Dame, die abgebrannten Glücksspielern großzügige Geldbeträge leiht. Als sie auch dem vermeintlichen indischen Offizier ihre Hilfe anbietet, geht Holmes zum Schein darauf ein. Doch Adrea schöpft Verdacht und überführt Holmes bei einer Teegesellschaft, als sie ihm „versehentlich“ heißen Tee über die Hand gießt und seine Hautfarbe abgewaschen wird.
In der Nacht versucht Adreas Handlanger, ein kleinwüchsiger Junge, eine tödliche Spinne durch den Lüftungsschacht in Holmes‘ Hotelzimmer zu schmuggeln. Die Untersuchung des Tieres ergibt, dass sein Gift die Opfer in Todesangst versetzt und in den Wahnsinn treibt, sodass sie sich aus dem Fenster stürzen. Holmes und Lestrade verfolgen die Spur bis zu einem Jahrmarkt, wo sie schließlich die „Spinnenfrau“ Adrea Spedding überführen können, die durch Mordversicherungen an ihren Opfern reich wurde.
⭐ Stab & Schauspieler
Regie: Roy William Neill
Drehbuch: Bertram Millhauser
Kamera: Charles Van Enger
Musik: Hans J. Salter
Schnitt: Edward Curtiss
Schauspieler|innen:
Darsteller/in | Rolle | Deutsche Synchronstimme |
---|---|---|
Basil Rathbone | Sherlock Holmes | Walter Niklaus |
Nigel Bruce | Dr. John Watson | Hinrich Köhn |
Gale Sondergaard | Adrea Spedding | – |
Dennis Hoey | Inspector Lestrade | – |
Arthur Hohl | Adam Gilflower | – |
Mary Gordon | Mrs. Hudson | – |
Teddy Infuhr | Larry (der Junge) | – |
Vernon Downing | Norman Locke | – |
🎬 Wissenswertes
„Das Spinnennest“ ist für Sherlockianer besonders interessant, weil es Elemente aus mehreren klassischen Conan Doyle-Geschichten gekonnt miteinander verwebt. Der Film kombiniert Motive aus „Das gesprenkelte Band“ (die tödliche Giftspinne statt einer Schlange), „Das Zeichen der Vier“ (der kleinwüchsige Helfer) und „Das letzte Problem“ (Holmes‘ vorgetäuschter Tod).
Die Schauspielerin Gale Sondergaard war eine perfekte Besetzung für die Rolle der Adrea Spedding. Tatsächlich war sie auf Bösewichtinnen spezialisiert und hatte 1937 den ersten jemals vergebenen Oscar für die beste Nebendarstellerin gewonnen. Mit ihrer eleganten, dunklen Ausstrahlung verkörpert sie eine der gefährlichsten Gegnerinnen, mit denen es Holmes je zu tun hatte.
Für Basil Rathbone war es bereits der siebte Film als Sherlock Holmes. Ursprünglich hatte er die Rolle gar nicht spielen wollen, da er befürchtete, auf den Charakter festgelegt zu werden – was letztlich auch passierte. Trotz seiner 14 Filme als Holmes und zahlreicher anderer Rollen blieb er für immer der „definitive Sherlock Holmes“ im Gedächtnis der Filmgeschichte.
Ein fast übersehenes Detail: Der Film entstand mitten im Zweiten Weltkrieg, und der Jahrmarkt, in dem die Schlussszene spielt, zeigt einen Schießstand mit Karikaturen von Hitler, Mussolini und Hirohito als Zielscheiben – ein kleines Stück Kriegspropaganda, das geschickt in die Handlung integriert wurde.
💡 Wusstest du schon?
Der Film lief in der DDR unter dem Titel „Die Spinnenfrau“ und wurde dort erstmals am 7. Juni 1981 im „DDR II“ ausgestrahlt. Die Restaurierung der gesamten Filmreihe für DVD und Blu-ray erstreckte sich übrigens über einen Zeitraum von zehn Jahren (1993-2003).
🎭 Besetzungs-Trivia
Basil Rathbone und Nigel Bruce bildeten nicht nur auf der Leinwand ein kongeniales Duo – sie spielten ihre Rollen zeitgleich auch für eine erfolgreiche Radioserie, die von 1939 bis 1946 lief und über 200 Episoden umfasste!
Eine der komischsten Szenen des Films zeigt Dr. Watson, als er den Insektenexperten Gilflower für den verkleideten Holmes hält – eine Szene, die viele Jahre später in der BBC-Serie „Sherlock“ in der Folge „Der leere Sarg“ zitiert wurde. Solche Querverweise zeigen, wie einflussreich diese klassischen Holmes-Filme bis heute sind.
Die Besonderheit dieses Films liegt auch in seinem Spannungsaufbau. Im Gegensatz zu vielen Detektivgeschichten kennt das Publikum hier von Anfang an die Täterin. Die Spannung entsteht nicht durch die Frage „Wer war es?“, sondern durch das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Holmes und seiner Gegnerin. Eine bemerkenswerte Variante des Whodunit-Genres, die hier als Howcatchem (wie fängt er sie?) funktioniert.
📚 Film-DNA: Einflüsse und Nachwirkungen
„Das Spinnennest“ inspirierte sich nicht nur an mehreren Sherlock-Holmes-Erzählungen, sondern setzte auch Maßstäbe für spätere Filme. Das Konzept der femme fatale als ebenbürtige Gegnerin eines männlichen Detektivs wurde später in zahlreichen Film-Noirs der 1940er und 50er Jahre aufgegriffen.
Der Film trägt auch klare Züge des Gothic Horror, besonders in den Szenen mit der giftigen Spinne. Diese Mischung aus Detektivgeschichte und Horrorfilm war damals innovativ und findet sich heute in vielen modernen Kriminalfilmen wieder, etwa in „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Sieben“.
Bemerkenswert ist auch die Darstellung von Adrea Spedding als intellektuell ebenbürtige Gegnerin – eine Seltenheit in Filmen der 1940er Jahre. Während die meisten Holmes-Gegenspieler durch rohe Gewalt gefährlich sind, ist sie es durch ihre Klugheit und Verstellung. Im Filmfinale kommentiert Holmes anerkennend: „Eine bemerkenswerte Frau. Kühn und tödlich wie eine ihrer eigenen Spinnen.“
🎭 Kultige Filmzitate
📊 Bewertung
Ich persönlich finde „Das Spinnennest“ trotz seiner Kürze von gerade mal 63 Minuten enorm unterhaltsam. Basil Rathbone ist für mich einfach DER Sherlock Holmes schlechthin – keiner hat diese Mischung aus Arroganz und Brillanz jemals besser verkörpert. Die Art, wie er seine Pfeife raucht und mit scharfem Blick jeden Gesprächspartner durchleuchtet, ist unübertrefflich.
Was mich besonders am „Spinnennest“ begeistert, ist die starke weibliche Antagonistin. In einer Zeit, in der Frauenrollen oft eindimensional waren, bekommen wir hier eine faszinierende Schurkin, die Holmes intellektuell ebenbürtig ist. Gale Sondergaard spielt sie mit einer kühlen Eleganz, die bis heute beeindruckt.
Sicher, manches wirkt aus heutiger Sicht etwas altbacken – die Trickeffekte mit der Spinne lassen einen schmunzeln, und Dr. Watson ist mehr komischer Sidekick als der kompetente Arzt aus Doyles Büchern. Aber genau das macht den Charme dieser Filmreihe aus! Es ist ein Stück Filmgeschichte, das uns in eine andere Zeit entführt.
Die Verflechtung verschiedener Holmes-Erzählungen zu einer neuen Geschichte funktioniert wunderbar und zeigt, wie gut die Drehbuchautoren damals ihr Handwerk verstanden. Selbst wenn man nicht alle Querverweise zu den Originalgeschichten kennt, ist der Film ein fesselndes Krimi-Vergnügen. Und an manchen Stellen, besonders beim Finale am Jahrmarkt, huscht mir heute noch ein wohlig-gruseliger Schauer über den Rücken.
❓ FAQ zum Film
Wurde „Das Spinnennest“ nach einer originalen Sherlock-Holmes-Geschichte von Arthur Conan Doyle gedreht?
Nein, der Film kombiniert Elemente aus drei verschiedenen Holmes-Geschichten: „Das gesprenkelte Band“ (die tödliche Giftspinne statt einer Schlange), „Das Zeichen der Vier“ (der kleinwüchsige Helfer) und „Das letzte Problem“ (Holmes‘ vorgetäuschter Tod). Die Handlung selbst ist jedoch neu.
Gibt es einen Nachfolgefilm, in dem die „Spinnenfrau“ wieder auftaucht?
1946 erschien „The Spider Woman Strikes Back“ mit Gale Sondergaard erneut in einer Hauptrolle, doch obwohl der Titel eine Fortsetzung suggeriert, handelt es sich um einen eigenständigen Horrorfilm ohne Verbindung zu Sherlock Holmes.
Warum spielt der Film in den 1940er Jahren und nicht im viktorianischen London?
Die ersten beiden Holmes-Filme mit Rathbone spielten noch im viktorianischen Zeitalter. Ab dem dritten Film verlegte Universal die Handlung in die damalige Gegenwart, teilweise um Holmes im Zweiten Weltkrieg gegen Nazi-Spione kämpfen zu lassen und so zur Kriegsmoral beizutragen.
📺 Wo kann ich „Das Spinnennest“ streamen oder kaufen?
Aktuell ist „Das Spinnennest“ in Deutschland über folgende Wege erhältlich:
Teil der „Sherlock Holmes Collection 2“
Komplett-Edition mit allen 14 Filmen
Die restaurierte Fassung ist in hervorragender Bild- und Tonqualität erhältlich und enthält sowohl die westdeutsche als auch die DDR-Synchronfassung.
🎬 Für Fans von…
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Trailer:
Der vollständige Film (deutsch) ist im Internet Archive verfügbar: Sherlock Holmes: Das Spinnennest (1943)
Was meint ihr? Ist Basil Rathbone für euch auch der definitive Sherlock Holmes, oder bevorzugt ihr modernere Interpretationen wie Benedict Cumberbatch oder Robert Downey Jr.?