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Short Term 12

Wer andere heilt, kämpft oft am meisten mit sich selbst.


Kurzinhalt:
Grace arbeitet als Betreuerin in „Short Term 12“, einer Wohneinrichtung für schwer erziehbare und traumatisierte Jugendliche. Sie ist jung, engagiert und versucht, für die Jugendlichen da zu sein, ohne die professionelle Distanz zu verlieren. Ihr Freund Mason arbeitet ebenfalls in der Einrichtung, was sowohl schöne als auch komplizierte Momente mit sich bringt. Die Jugendlichen kämpfen mit Wut, Trauer, Angst und Misstrauen – ebenso wie die Betreuer, die mehr mit ihren eigenen Dämonen kämpfen, als sie zugeben. Als Jayden, ein neues Mädchen, ins Heim kommt, wird Grace besonders herausgefordert, weil Jaydens Geschichte Parallelen zu ihrer eigenen Vergangenheit aufweist. Gleichzeitig steht Grace vor einer Entscheidung über ihre eigene Zukunft, denn sie ist ungeplant schwanger und hadert mit ihrer Kindheit und ihrer Rolle als mögliche Mutter. Während sie Jayden hilft, öffnet sie sich auch langsam Mason gegenüber – und vor allem sich selbst. Nebenbei begleiten wir auch andere Jugendliche wie Marcus, der kurz vor seiner Entlassung steht, aber große Angst vor dem Leben draußen hat. In diesem Mikrokosmos aus Schmerz, Hoffnung und kleinen Erfolgen wird deutlich, dass die Trennung zwischen Helfer und Hilfsbedürftigen oft verschwimmt. Das Heim ist kein perfekter Ort – aber für viele die einzige Chance auf einen Neuanfang.


Review:
Short Term 12 ist ein Film, der leise erzählt und dennoch unglaublich laut wirkt – emotional, ehrlich und tief berührend. Brie Larson als Grace ist schlichtweg überragend und liefert eine ihrer besten Performances ab. Sie verkörpert eine Frau, die stark erscheinen muss, obwohl sie innerlich zerbricht. Das Zusammenspiel zwischen ihr und John Gallagher Jr. als Mason bringt sowohl Wärme als auch realistische Beziehungsdynamik ins Spiel. Besonders stark ist der Film darin, das Thema „professionelle Distanz“ auf eine authentische Weise zu hinterfragen. Die Jugendlichen sind keine bloßen „Problemkinder“, sondern komplexe, greifbare Persönlichkeiten mit nachvollziehbaren Ängsten und Wünschen. Besonders Marcus’ und Jaydens Geschichten gehen tief unter die Haut. Die Inszenierung verzichtet bewusst auf großes Drama oder künstliche Zuspitzung – stattdessen wirken die Konflikte und Wendungen wie direkt aus dem echten Leben gegriffen. Das Drehbuch ist clever, feinfühlig und lässt Raum für Nuancen. Auch visuell bleibt der Film zurückhaltend, fast dokumentarisch – was die Glaubwürdigkeit noch verstärkt. Die Kamera bleibt oft nah an den Figuren, ohne aufdringlich zu sein. Der Soundtrack ist zurückhaltend, aber sehr wirkungsvoll und unterstützt die Atmosphäre perfekt. Was besonders überzeugt: Der Film bewertet nicht, er beobachtet. Er zeigt, dass es kein Schwarz-Weiß gibt – weder bei den Jugendlichen noch bei den Betreuern. Grace’ eigene Vergangenheit wird nicht zum klischeehaften Plotpunkt, sondern fügt sich organisch in die Erzählung ein. Auch die Darstellung von Hoffnung ist realistisch: Es gibt keinen kompletten Heilungsprozess, aber es gibt Fortschritte – kleine Schritte, die zählen. Short Term 12 schafft es, das Thema Trauma mit Respekt und Feingefühl zu behandeln, ohne in Kitsch oder Elendspornografie abzurutschen. Am Ende bleibt man mit dem Gefühl zurück, dass Empathie, Zuhören und Geduld die größten Heilmittel sind. Ein Film, der lange nachwirkt und genau deshalb so wichtig ist. Keine große Kinogeste – sondern echtes Leben.

WhiskyTom

WhiskyTom

🌟 8,0

Ein stiller, aber zutiefst bewegender Film über Verletzlichkeit, Verantwortung und Mitgefühl. Herausragend gespielt, sensibel inszeniert und ohne falsches Pathos erzählt. Short Term 12 gehört zu den Filmen, die leise sind – und genau deshalb laut bleiben.

 

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