16 Uhr 50 ab Paddington – allein der Titel klingt schon nach klassischem britischen Krimi-Flair. Und genau das bekommt man hier: einen wunderbar altmodischen, aber herrlich unterhaltsamen Whodunit mit Margaret Rutherford in Höchstform als Miss Marple.
Die Geschichte beginnt wie aus dem Bilderbuch eines Krimiautors: Miss Marple sitzt im Zug, genießt ihre Fahrt, als sie plötzlich im parallel fahrenden Zug Zeugin eines Mordes wird – eine Frau wird erwürgt! Doch kaum ist der Zug vorbeigezogen, bleibt nur eine Frage: Wo ist die Leiche?
Klar, dass die Polizei ihr kein Wort glaubt. Schließlich gibt es keine Spur des Opfers, keine Beweise, nichts. Doch wer Miss Marple kennt, weiß: Die gibt nicht so schnell auf! Mit ihrem treuen Gefährten Mr. Stringer (gespielt von Stringer Davis, Rutherfords echtem Ehemann) nimmt sie die Ermittlungen auf eigene Faust auf. Und ihre Spürnase führt sie direkt auf das Anwesen der Familie Ackenthorpe, das verdächtig nahe an der Bahnstrecke liegt…
Undercover als Hausmädchen – eine Rolle, die der resoluten Miss Marple wie auf den Leib geschneidert ist – schleicht sie durchs Anwesen, belauscht Gespräche, analysiert Verdächtige und entdeckt schließlich die Leiche im Schuppen. Doch damit fängt der Spaß erst an, denn jeder auf dem Anwesen hat etwas zu verbergen, und die Liste der möglichen Täter wird nicht kürzer.
Natürlich bleibt das nicht ohne Gefahr. Miss Marple gerät selbst ins Visier des Mörders, doch wie wir sie kennen, hält sie das nicht davon ab, ihre Ermittlungen unbeirrt fortzusetzen. Mit ihrem scharfen Blick für Details, ihrem unerschütterlichen Charme und einer gehörigen Portion Dickköpfigkeit kommt sie der Wahrheit Stück für Stück näher – bis sie am Ende, mit einem verschmitzten Lächeln, den Täter überführt.
Ein Krimiklassiker, wie er im Buche steht: spannend, charmant, mit britischem Witz und einer grandiosen Margaret Rutherford, die der Figur ihren ganz eigenen, unvergesslichen Stempel aufdrückt.
Regie: George Pollock
Drehbuch: David Pursall, Jack Seddon
Produzenten: George H. Brown
Kamera: Geoffrey Faithfull
Schnitt: Gordon Hales
Musik: Ron Goodwin
Produktionsdesign: Arthur Lawson
Darsteller|innen:
Margaret Rutherford als Miss Jane Marple
Arthur Kennedy als Dr. Paul Quimper
Muriel Pavlow als Emma Ackenthorpe
James Robertson Justice als Luther Ackenthorpe
Thorley Walters als Cedric Ackenthorpe
Charles Tingwell als Inspector Craddock
Conrad Phillips als Bryan Eastley
Ronald Howard als Harold Ackenthorpe
Stringer Davis als Mr. Stringer
Gerald Cross als Albert Ackenthorpe
Joan Hickson als Mrs. Kidder
Hintergründe & Wissenswertes zu „16 Uhr 50 ab Paddington“ 🎥🚂
🔎 Margaret Rutherford – Eine Miss Marple, wie sie keiner erwartet hatte
Eigentlich war Agatha Christies Miss Marple eine eher ruhige, bedächtige ältere Dame mit einem scharfen Verstand. Margaret Rutherford? Nun ja… sie war das komplette Gegenteil: quirlig, resolut, laut und mit einer Mimik, die einen Mörder allein durch hochgezogene Augenbrauen hätte zum Geständnis bringen können. Trotzdem (oder gerade deshalb) machte sie die Rolle unsterblich.
Agatha Christie selbst war anfangs alles andere als begeistert über diese Besetzung. Ihre Miss Marple war eine feine, fast unscheinbare Detektivin – und Rutherford stampfte wie eine Naturgewalt durch den Film, mit wehenden Röcken und einem „Jetzt erst recht!“-Blick. Doch als Christie den fertigen Film sah, erkannte sie an, dass Rutherford der Figur zwar einen völlig neuen Dreh gab, aber das Publikum liebte es – also konnte sie damit leben. Zur Versöhnung widmete sie Rutherford später eine British Empire Medal.
🎥 Film vs. Roman – Ein paar kreative Freiheiten
Wer das Buch 4.50 from Paddington kennt, der wird überrascht oder ggfs. enttäuscht sein, denn es gibt dann doch starke Abweichungen.
- Hier übernimmt Frau Marple selbst die aufregenden Ermittlungen, im Roman ist es eigentlich ihre Freundin Lucy Eyelesbarrow, die sich ins Haus der Familie Ackenthorpes einschleust. Aber mal ehrlich: Wer will Margaret Rutherford bei der Hausarbeit zusehen? Sie setzt sich doch lieber energisch durch und führt das Anwesen der Ackenthorpes im Alleingang an der Nase herum.
- Inspector Craddock wird zu Inspector Bacon – ja, Bacon. Ob das eine bewusste Entscheidung war, um für britischen Humor zu sorgen, bleibt offen.
- Mr. Stringer, der treue Begleiter von Miss Marple, existiert in der Vorlage überhaupt nicht! Er wurde extra für den Film dazugeschrieben – und das aus gutem Grund: Stringer Davis, der Darsteller von Mr. Stringer, war Margaret Rutherfords Ehemann. Und sie hatte klargestellt: „Ich drehe die Filme nur, wenn mein Mann auch mitspielen darf.“ Klingt fair, oder?
🎼 Ein Soundtrack, der sofort ins Ohr geht
Wenn man an Miss Marple denkt, hat man sofort diese unverwechselbare Tat-ta-ta-ta-Melodie im Kopf. Der britische Komponist Ron Goodwin lieferte hier einen Soundtrack, der fast ebenso ikonisch wurde wie Rutherford selbst. Kein elegantes, düsteres Krimigedudel, sondern ein schwungvoller, leicht exzentrischer Marsch, der perfekt zu ihrer ruppigen, aber liebenswerten Ermittlungsart passt.
🏆 Erfolg & Kultstatus
„16 Uhr 50 ab Paddington“ war ein voller Erfolg, und weil das Publikum gar nicht genug von Rutherfords Miss Marple bekommen konnte, folgten gleich drei weitere Filme:
1️⃣ „Der Wachsblumenstrauß“ (1963) – Miss Marple geht in den Pferdestall.
2️⃣ „Vier Frauen und ein Mord“ (1964) – Miss Marple wird zur Theaterkritikerin.
3️⃣ „Mörder ahoi!“ (1964) – Miss Marple ermittelt… auf einem Schiff!
Auch wenn es nur vier Filme waren, Rutherfords Interpretation ist bis heute die wohl bekannteste und beliebteste. Viele, die den Namen „Miss Marple“ hören, haben sofort ihr Gesicht vor Augen.
🎭 Margaret Rutherford – Ein Charakterkopf, wie er im Buche steht
Rutherford war nicht nur als Miss Marple eine Ikone – sie war generell eine der markantesten britischen Schauspielerinnen ihrer Zeit. 1964 holte sie sich für eine ganz andere Rolle – die Herzogin von Brighton in „Hotel International“ – sogar einen Oscar als beste Nebendarstellerin. Und auch privat war sie wohl genau so eigenwillig und liebenswert wie ihre Filmrollen.
🕵️♀️ Ein schrulliges Extra: Miss Marple trifft Edgar Wallace?
Die Miss-Marple-Filme mit Margaret Rutherford waren so ein Riesenerfolg, dass irgendwer auf die schräge Idee kam: „Warum nicht einfach noch einen machen?“ Nur blöd, dass die eigentliche Filmreihe da schon abgeschlossen war. Aber was soll’s – in den 60ern nahm man’s mit Kontinuität nicht so genau.
Das Ergebnis? „Das Rätsel des silbernen Dreiecks“ (1966) – ein Film, der sich anfühlt wie eine Mischung aus Miss Marple und Edgar Wallace, mit einer Prise Agenten- und Gangsterstory oben drauf. Offiziell kein Teil der Marple-Reihe, aber Margaret Rutherford spielt trotzdem eine Miss Marple-ähnliche Figur. Was genau da passiert? Schwer zu sagen. Es gibt eine geheime Organisation, dunkle Machenschaften und natürlich Rutherford, die sich mit ihrer typischen Entschlossenheit durch den Film wuchtet. Ein echtes Kuriosum, das irgendwo zwischen Hommage, Parodie und skurriler Fehlzündung hängt.
👉 Kurz gesagt: „16 Uhr 50 ab Paddington“ ist nicht nur ein Krimi, sondern ein echtes Stück britische Filmgeschichte – mit Charme, Witz und einer Margaret Rutherford, die Miss Marple so unverwechselbar machte, dass man sie einfach ins Herz schließen muss. Wer’s noch nicht gesehen hat? Ganz schnell nachholen! 🕵️♀️🎩🚂
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